Die Geschichte der Medizin ist voll von Entwicklungen nach diesem Schema: Zuerst wird ein therapeutisches Verfahren voller Enthusiasmus angepriesen und angewendet – und kurze Zeit später erscheinen Studien, die den fehlenden Nutzen und/oder erheblichen Schaden belegen und das Verfahren wird aus dem Verkehr gezogen.
Vinay Prasad und Adam Cifu nennen dieses Schema „medical reversal“. In ihrem Buch „Ending medical reversal“ beschreiben sie zahlreiche Beispiele und gehen auf der Ursache auf den Grund. Häufig liegt das Problem darin, dass die Verfahren unzureichend untersucht sind, bevor sie in die breite Anwendung gelangen – das betrifft sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Verfahren. Hinzu kommen verzerrte Daten aus Industrie-gesponsorten Studien, Interessenkonflikte bei der Erstellung von Leitlinien und Problemen bei der Zulassung.
Wie der Titel des Buchs nahelegt, haben die Autoren aber auch Lösungsvorschläge an der Hand. Das beginnt bei der Ausbildung von Medizinern und endet lange noch nicht bei den Verbindungen von Klinikern und Pharmaindustrie. Auch Patienten bekommen Tipps an die Hand, welche Fragen sie ihren Ärzten stellen können, um einer Therapie zu entkommen, die möglicherweise nicht nützt, aber dafür Schaden zufügt.
Fazit: Die Autoren sind nicht die ersten, die die zugrundeliegenden Probleme beschreiben. Wer z.B. bereits „Bad Pharma“ von Ben Goldacre oder „Deadly medicine“ von Peter Gøtzsche gelesen hat, wird viele Aspekte wiedererkennen. „Ending medical reversal“ liefert aber viele neue Beispiele, so dass spätestens jetzt klar wird, dass es ein systemisches Problem gibt, das dringend angegangen werden muss.
Adam Cifu und Vinay Prasad. Ending medical reversal. John Hopkins University Press, 2015. ISBN: 9781421417721