Journal Clubs sind Veranstaltungen, bei denen eine Gruppe eine klinische Studie kritisch bewertet und diskutiert. Üblicherweise finden Journal Clubs in Präsenzveranstaltungen statt. Umso spannender fand ich es, als auf Twitter ein Journal Club in Tweets angekündigt wurde. Organisiert hatten das Event das UK Cochrane Centre, CASPUK, WeNurses und The Mental Elf. Vor der eigentlichen Diskussion (am 25. Juni) hatten die Organisatoren einen Link zu dem entsprechenden Artikel (open access) sowie eine Kurzanleitung gepostet. Wer sich auf den Journal Club vorbereiten wollte, sollte den Artikel vorab lesen und sich zu den folgenden fünf Fragen Gedanken machen:
- Does the research ask a clearly focussed question?
- Is the research study design appropriate for the question? Will the results inform the question?
- Are the participants in the study all accounted for? Did any drop out and do we know why?
- What are main results of the research? Are they significant statistically or clinically or both?
- Were all of the important outcomes considered? If not, what is missing?
Folgen konnte man dem Journal Club über den Hashtag #weCATS. Diskutiert wurde über einen Zeitraum von einer Stunde, indem nacheinander die obigen Fragen aufgerufen wurden und jeder, der wollte, dazu etwas kommentieren konnte. Die Moderatorin gab Hinweise, auf welche Aspekte man im Detail achten sollte. Wer den Verlauf der Diskussion nachverfolgen und eine kurze Zusammenfassung lesen will, findet diese Information im WeNurses-Blog.
Sehr positiv fand ich die niedrige Einstiegsschwelle, da man nicht unbedingt kommentieren musste, sondern durchaus auch lediglich mitlesen konnte. Auch dass dieses Format ortsunabhängig ist, ist sehr attraktiv. Durch die gute Struktur ist es relativ einfach, dem Verlauf der Diskussion zu folgen.
Relativ schnell wurde bei der Diskussion auch deutlich, dass die Vorkenntnisse der Teilnehmer sehr unterschiedlich waren – ob sich Anfänger trauen, etwas beizutragen, ist dann sehr fraglich. Aber dieses Problem besteht ja auch bei Präsenzveranstaltungen. Manchmal ging die Diskussion etwas durcheinander, auch bedingt durch die Zeitverzögerung (meist aber nur wenige Sekunden) beim Twittern. Die Lesbarkeit bei solchen Fragen-Antworten-Formaten auf Twitter lässt sich aber deutlich erhöhen, wenn man konsequent Q1, Q2… vor jede Frage und entsprechend A1, A2… vor jede zugehörige Antwort schreibt. Das Tempo der Diskussion war sehr hoch, bei mehr als 70 aktiven Teilnehmern und knapp 500 Tweets während der Diskussionszeit musste man sich sehr konzentrieren, um den Faden nicht zu verlieren.
Wie bei allen Studiendiskussionen wurde auch bei diesem Journal Club deutlich, dass die Methodik nur eine Seite der Bewertung ist – ob auch bei sehr guter methodischer Qualität die Studie tatsächlich Informationen für die Praxis/Patientenversorgung bringt, kann man nur beurteilen, wenn man sich in dem betreffenden Gebiet auskennt. Bei diesem Journal Club ging es um verschiedene psychotherapeutische Verfahren, ein Gebiet, auf dem ich gar keine Vorkenntnisse habe. Deshalb fand ich es sehr hilfreich, gerade bei der 5. Frage auch entsprechenden Input von Experten auf diesem Gebiet zu bekommen. Da ging es beispielsweise um Aspekte wie „Ist die Kontrollbehandlung eigentlich angemessen?“, „Wird die Behandlung richtig durchgeführt?“ oder „Mit was hätte man vergleichen müssen, um bessere Aussagen für die Versorgungspraxis zu erhalten?“.
Fazit: Ein Journal Club auf Twitter lohnt sich. Die möglichen beschriebenen Nachteile werden meiner Meinung nach durch die Vorteile wie Ortsunabhängigkeit und niedrige Einstiegsschwelle aufgewogen. Geplant sind weitere Journal Clubs etwa alle sechs Wochen – der nächste Termin wird unter dem Hashtag #weCATS bekannt gegeben. Wer noch eine zweite Meinung zum Twitter Journal Club lesen will: Eine weitere Teilnehmerin hat ebenfalls über ihre Erfahrungen gebloggt.