Der Pharmareferent hat bei der Vorstellung des neuen OTC-Präparates auch auf Studien verwiesen. Wenn es Studien dazu gibt, muss das Mittel doch gut wirksam sein, oder?
Nicht alle Studien sind für die Untersuchung bestimmter klinischer Fragestellungen gleich gut geeignet. Wenn es um die Frage nach dem Nutzen von therapeutischen Interventionen (wie der Gabe eines Arzneimittels) geht, gelten randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) wie bereits erwähnt als Goldstandard. Mit Hilfe der sogenannten Evidenzgrade (englisch: „levels of evidence“) lässt sich einschätzen, wie groß das Risiko für eine Verzerrung (Bias) in der Studie ist.
Soweit die Theorie. In der Praxis gibt es derzeit aber eine Reihe unterschiedlicher Skalen, die für die Einstufung der Evidenzgrade verwendet werden.
Häufig werden die Evidenzgrade der Agency for Healthcare Research and Quality (AHCRQ) verwendet (hier für Studien zu Therapie bzw. Prävention):
Ia Systematischer Review/Metaanalyse auf der Basis von wenigstens ein systematischer Review auf der Basis methodisch hochwertiger kontrollierter, randomisierter Studien (RCTs)
Ib wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT
IIa wenigstens eine hochwertige kontrollierte Studie ohne Randomisierung
IIb wenigstens eine hochwertige Studie eines anderen Typs quasi-experimenteller Studien (z.B. Kohortenstudie)
III mehr als eine methodisch hochwertige nichtexperimentelle Studie (z.B. Fall-Kontrollstudien)
IV Statements von Expertenkommissionen, Expertenmeinung
Ebenfalls oft findet man die Einteilung des Oxford Centre for Evidence-based Medicine (CEBM), das die Evidenzgrade in 5 Stufen einteilt. Dieses System wird auch für die Nationalen Versorgungsleitlinien in Deutschland verwendet.
Zu beachten ist aber, dass diese Einteilung entscheidend von der Fragestellung abhängt. So kann für eine Studie zu einer diagnostischen Fragestellung ein ganz anderer Studientyp „Level-I-Evidenz“ erbringen als für eine Therapiestudie. Das CEBM hat eine sehr übersichtliche Tabelle erstellt, in der die Evidenzgrade für verschiedene Fragestellungen aufgeführt sind.
Sicher ist es dem aufmerksamen Leser nicht entgangen, dass für die Bestimmung des Evidenzgrades das Stichwort „methodisch hochwertig“ eine wichtige Rolle spielt. Informationen zu der Frage, wie man die Qualität einer Studie überprüfen kann, gibt es in der nächsten Folge.