Glaubt man dem Gejammer aus einigen Teilen der Ärzteschaft, sind individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) das letzte Bollwerk des medizinischen Fortschritts: Können so Patient:innen doch dann selbst innovative Leistungen zur Behandlung oder Diagnostik bezahlen, vor denen der Gemeinsame Bundesausschuss und die gesetzlichen Krankenkassen die Augen verschließen. Auch die (oft nicht besonders euphorischen) Bewertungen des IGeL-Monitors (beim Medizinischen Dienst Bund) werden mit diesem Zungenschlag kritisiert. Aber stimmt dieses Narrativ?
Um das zu untersuchen, hat das Team des IGeL-Monitor seine Bewertungen mit aktuellen deutschen und internationalen Leitlinien abgeglichen (Stand Februar/März 2022). Rund drei Viertel der IGeL waren Maßnahmen zur Früherkennung. In die Analyse flossen 27 IGeL-Bewertungen und 41 Leitlinien ein, die für 24 der IGeL-Themen Empfehlungen enthielten. Das Ergebnis dürfte Kritiker*innen aus der Ärzteschaft nicht gefallen:
- 79 Prozent der IGeL-Bewertungen (n = 19) stimmten ganz oder nahezu mit den Leitlinien-Empfehlungen überein.
- Bei 21 Prozent der IGeL-Bewertungen (n = 5) war ein Abgleich mit Leitlinien nicht möglich, zum Beispiel weil unterschiedliche Leitlinien unterschiedliche Empfehlungen enthielten.
- 10 von 13 IGeL mit einer (tendenziell) negativen Bewertung im IGeL-Monitor werden auch in den Leitlinien nicht empfohlen.
- Bei 7 IGeL, die als tendenziell negativ bewertet wurden, war die Ablehnung in den Leitlinien sogar noch stärker.
An dem zitierten Narrativ scheint also nicht viel dran zu sein. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis darauf, dass IGeL durchaus auch schaden können. Umso wichtiger ist deshalb die Forderung des IGeL-Monitor nach besseren Informationen für Versicherte in den Arztpraxen:
Becker M. et al. Stehen die Bewertungen von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) des IGeL-Monitors im Einklang mit Leitlinien? Gesundheitswesen 2023; 85(12): 1192-1199 DOI: 10.1055/a-2158-8869