Interessante methodische Aspekte zum Screening wurden bei einem Journalistenworkshop von Ingrid Mühlhauser und Klaus Koch präsentiert.
Wenn Patienten eine informierte Entscheidung treffen wollen, ob sie an einem Screening teilnehmen, sollten sie sich einige Aspekte vergegenwärtigen:
- Wie gefährdet bin ich eigentlich?
- Was kann die Untersuchung daran ändern?
- Welche Belastungen, Risiken und Kosten muss ich dafür in Kauf nehmen?
Eine solche Entscheidung muss der Patient immer individuell treffen und dabei den möglichen Nutzen und möglichen Schaden gegeneinander abwägen. Leider sind die entsprechenden Daten nicht in allen Fällen auch tatsächlich leicht und verständlich verfügbar.
Auch wird häufig verwechselt, dass die Teilnahme an einem Früherkennungsprogramm nicht automatisch verhindert, dass man die Erkrankung bekommt. Was Patienten sich außerdem von einem Screening erhoffen, ist eine Senkung der Gesamtmortalität, weniger aggressive Therapien und auch eine Beruhigung im Fall, dass nichts gefunden wird.
Für die Beurteilung der eigenen Gefährdung sind die Angaben zur Inzidenz einer Erkrankung meist nicht aussagekräftig, da die Erkrankungshäufigkeit (genauer: Diagnosehäufigkeit) durch Screening-Maßnahmen steigen kann. Ausnahmen sind jedoch das Screening auf Zervixkarzinom und Kolonkarzinom, weil im Rahmen dieser Verfahren mögliche Karzinomvorstufen entfernt werden.
Diskutiert wurden auch relevante Endpunkte für den Nutzennachweis von Screeninguntersuchungen: So kann die krankheitsspezifische Mortalität verzerrt sein, wenn etwa der Patient nicht am Krebs, sondern an der Behandlung verstirbt und deshalb eine andere Todesursache registriert wird. Der Endpunkt Gesamtmortalität ist aussagekräftig, weil sich so auch unterscheiden lässt, ob das Screening nur den Diagnosezeitpunkt nach vorne verlegt, ohne die Lebenszeit zu verlängern. Allerdings besteht bei Nutzung dieses Endpunktes auch die Gefahr, den Nutzen des Screenings zu unterschätzen, besonders bei seltenen Krebserkrankungen.
Das Nutzen des Screening-Verfahrens wird auch durch die Testgüte bestimmt (Spezifität und Sensitivität). Ein „guter“ Test soll unerkannte Erkrankte zuverlässig finden und Menschen ohne Erkrankung sicher ausschließen.
Ein relevantes Risiko von Screening-Maßnahmen sind auch Überdiagnosen. Das gilt etwa für langsam wachsende Krebsformen, die zu Lebzeiten womöglich keine Probleme bereitet hätten.
Ein unklares Nutzen-Schaden-Verhältnis besteht nach Ansicht von Mühlhauser und Koch für das Hautkrebs-Screening, das in Deutschland jeder gesetzlich Krankenversicherte ab 35 zweijährlich in Anspruch nehmen kann. So liege – bei konservativer Schätzung – der positive prädiktive Wert nur bei knapp 1 Prozent – also nur bei einem von hundert Menschen mit einer nach Einschätzung des Arztes verdächtigen Hautveränderung liegt tatsächlich Hautkrebs vor.
Weil auch ein Nutzen des Screenings nicht eindeutig belegt ist, gibt es in keinem anderen Land der Welt ein Hautkrebs-Screening – sogar nicht in Australien, wo die Erkrankungsraten an Hautkrebs drei- bis fünffach höher liegen als in Deutschland. Auch die US-amerikanische Empfehlung rät von einem solchen Screening ab.