Metaanalysen sind ja gut und schön. Aber entscheidend ist doch, wie man in der Praxis mit den Ergebnissen umgeht. Gibt es auch dazu evidenzbasierte Informationen?

Metaanalysen und systematische Übersichtsarbeiten beschäftigen sich in der Regel mit ausgewählten Fragestellungen, z.B. „Welchen Einfluss hat die Behandlung mit alpha-Liponsäure auf die Symptome einer diabetischen Polyneuropathie?“ In der Praxis sind die Fragestellungen meist deutlich komplexer und umfangreicher. Und es müssen Entscheidungen getroffen werden, auch wenn die Studienlage zu einer klinischen Fragestellung äußerst bescheiden ist.

Genau mit diesem Problem beschäftigen sich Leitlinien. Sie werden häufig von medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften erstellt. In Leitlinien werden für ein Krankheitsbild klinische Fragen definiert und dafür die kritisch bewertete externe Evidenz mit der klinischen Expertise kombiniert. So passiert es zumindest bei den Leitlinien in der höchsten Entwicklungsstufe (S3 in der AWMF-Nomenklatur). Leitlinien der niedrigeren Entwicklungsstufen berücksichtigen entweder nur die Meinungen von Experten ohne (S1-Leitlinien) bzw. mit einer strukturierten Konsensfindung und repräsentativer Zusammensetzung des Gremiums (S2k-Leitlinien) oder sichten nur systematisch die Literatur (S2e-Leitlinien). Im Idealfall sind in den Gremien außer den relevanten medizinischen Fachgesellschaften auch andere Gesundheitsberufe und Patienten vertreten.

Im Prozess der Leitlinienerstellung werden Empfehlungen erarbeitet und kategorisiert. Dafür werden häufig die folgenden Empfehlungsgrade  verwendet:

  •  Starke Empfehlung (auch mit A oder ↑↑ gekennzeichnet bzw. ↓↓ bei Abraten)
  •  Empfehlung (B, ↑ bzw. ↓)
  •  Empfehlung offen (0, ↔)

Wichtige Qualitätskriterien für Leitlinien sind Aktualität und Transparenz. Leitlinien haben nur eine begrenzte Gültigkeitsdauer und sollen regelmäßig aktualisiert werden. Hochwertige Leitlinien werden in der Regel mit einem Methodenreport veröffentlicht. Dort kann man nachlesen, wie die Evidenz aus klinischen Studien bewertet wurde und wie Diskussionen im Leitliniengremium verlaufen sind. Natürlich müssen auch Leitlinien kritisch bewertet werden. Dafür gibt es verschiedene Instrumente, z.B. DELBI oder AGREE.

An dieser Stelle auch noch ein Hinweis darauf, was Leitlinien nicht sind: Sie propagieren keine „Kochbuch-Medizin“, was man häufig als Vorwurf hört. Von ihrem Selbstverständnis her eröffnen Leitlinien jedoch eher einen Handlungskorridor, als dass sie bestimmte Schritte festlegen: Der Behandler muss jeweils prüfen, ob die Empfehlungen für seinen Patienten passend sind oder ob individuelle Umständen es notwendig machen, von den Empfehlungen abzuweichen. In einigen Fällen werden diese individuellen Umstände wie Komorbiditäten oder andere Faktoren bereits in Leitlinien berücksichtigt.

Leitlinien
Evidenzbasierte Pharmazie: Leitlinien
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