Früh erkannt, früh gebannt – das kann auch manchmal ein Fehlschluss sein. Denn nicht immer haben Früherkennungsuntersuchungen einen Nutzen. Wie komplex diese Frage sein kann, zeigt ein aktueller systematischer Review zur Früherkennung eines Prä-Diabetes, der kürzlich im BMJ erschienen ist. Ein Autorenteam um Trisha Greenhalgh hat dazu Studien zu einer zweistufigen Fragestellung zusammengefasst: Wie gut identifizieren verschiedene Screening-Strategien (z.B. überschrittener Grenzwert für HbA1c oder Nüchternglucose im Vergleich zu einem oralen Glucosetoleranztest) Menschen mit leicht erhöhten Blutzuckerwerten? Und welchen Nutzen bringen Interventionen für die so identifizierten „Patienten“?
Eingeschlossen in die Übersichtsarbeit wurden 49 Studien zur diagnostischen Genauigkeit von Screening-Tests und 50 Studien zu Interventionen (davon lieferten aber nur 25 ausreichende Daten für die Meta-Analyse). Die diagnostischen Studien zeigten eine sehr niedrige Genauigkeit: Der HbA1c-Test war weder sensitiv noch spezifisch, der Nüchtern-Glucose-Test spezifisch, aber nicht sensitiv. Wieviele Menschen als „Prä-Diabetiker“ identifiziert wurden, hängt auch stark von den jeweiligen Grenzwerten ab. Wendet man die niedrigeren Grenzwerte der American Diabetes Association statt der WHO-Grenzwerte an, verdoppelt sich die Prävalenz eines Prä-Diabetes.
Wie sieht es mit den Interventionen aus? Lebensstil-Interventionen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren reduzierten das Risiko, einen manifesten Diabetes zu entwickeln, um 31 Prozent (NNT 33); bei einer Dauer von drei bis sechs Jahren um 37 Prozent (NNT 12). Beim Einsatz von Metformin lag die relative Risikoreduktion bei 26 Prozent (NNT 14). Die Qualität der Evidenz wurde aber als moderat bei den Metformin-Interventionen beurteilt, als niedrig bei den Lebensstil-Interventionen. Der Effektschätzer könnte also in Wirklichkeit auch deutlich abweichen. Noch bedeutsamer ist allerdings die hohe Abbruchrate in den Studien: Nur durchschnittlich 27 Prozent der Teilnehmer nahmen an der jeweiligen Intervention bis zum Ende teil.
Die Autoren kommen deshalb zu der Einschätzung, dass „screen and treat“-Programme nur bedingt hilfreich sind, um die Zunahme der Diabetes-Inzidenz zu reduzieren. Sie weisen deshalb darauf hin, dass ergänzend auch Public-Health-Initiativen erforscht werden sollten, die Risikofaktoren für die gesamte Population adressieren.
BMJ 2017;356:i6538