Im Lehrbuch ist alles ganz einfach und ordentlich: Bei der Entwicklung von neuen Arzneistoffen kommen erst die Tierversuche, kurzfristige und langfristige – und wenn es damit keine Probleme gibt, wird das neue Mittel auch am Menschen erprobt. Dass es im richtigen Leben leider nicht ganz so verläuft, zeigt ein Beitrag von Peter Gøtzsche, dem Leiter des nordischen Cochrane-Zentrums, im BMJ:
Gøtzsche beschreibt den Fall eines Probanden (von Beruf Tierarzt), der an einer klinischen Studie teilgenommen hatte und gerne die Daten aus den vorher durchgeführten Tierversuchen sehen wollte. Der Hersteller verweigerte diese Auskunft jedoch mit Hinweis auf die kommerzielle Vertraulichkeit („sensitive information“). Wie sich später herausstellte, lagen zu Beginn der Humanstudien jedoch noch gar keine ausreichenden Langzeitdaten zur Karzinogenität der Substanz vor, entsprechende Versuche wurden gleichzeitig mit der klinischen Studie begonnen. Als die Daten zu einem späteren Zeitpunkt vorlagen, erhielten die Probanden Informationen, die nach Götzsches Ansicht die Risiken herunterspielten.
Wie Gøtzsche beklagt, lassen die derzeitigen Zulassungsregularien Schlupflöcher, so dass Szenarien wie das beschriebene möglich sind. Als mögliche Ursache beschreibt der Autor den Trend, dass zunehmend neue Arzneistoffe immer schneller zugelassen werden – und nach einiger Zeit wegen aufgetretener Risiken wieder vom Markt genommen werden. Ob das den Patienten tatsächlich dient, ist fraglich.
BMJ 2014;349:g6714 (mit Audiozusammenfassung)