Gilbert Welch, der sich schon seit vielen Jahren mit dem Überdiagnosen durch Krebsscreening beschäftigt, hat gemeinsam mit weiteren Autoren eine neue Analyse des US-amerikanischen Screenings auf Brustkrebs im NEJM veröffentlicht. Darin schätzen die Autoren die Größenordnung der Überdiagnosen anhand der Trends in den entdeckten Tumoren und vergleichen dazu Zahlen vor und nach der Einführung des Screening-Programms. Wie Welch et al. zutreffend beschreiben, ist die Verschiebung der Stadien hin zu kleinen Tumoren (in-situ Karzinome oder invasive Tumore unter 2 cm) allein noch kein Beleg für den „Erfolg“ des Screenings. Denn nur ein kleiner Teil davon beruht tatsächlich darauf, dass der Anteil der großen Tumore (ab 2 cm) abnimmt – der Rest davon sind Diagnosen, die durch das Screening ausgelöst wurden, unabhängig von der Prognose der Tumorerkrankung.
Zu den Zahlen: Im betrachteten Zeitraum nimmt der Anteil an kleinen Tumoren von 36 Prozent auf 68 Prozent zu (bezogen auf alle entdeckte Tumore). Das entspricht im Vergleich ohne bzw. mit Screening 162 mehr Fälle pro 100.000 Frauen. Dem gegenüber steht jedoch nur ein Rückgang von 30 Fällen an großen Tumoren pro 100.000 Frauen. Die Differenz (132 Fälle/100.000 Frauen) wertet das Autoren-Team als Überdiagnosen. Auch die Mortalitätsraten bei den großen Tumoren nehmen die Autoren unter die Lupe und stellen fest, dass etwa zwei Drittel der gesunkenen Brustkrebssterblichkeit auf eine Verbesserung der Therapie und nicht auf das Screening zurückzuführen sind.
Ergänzend zu dem Artikel im NEJM hat Gilbert Welch ein Video auf YouTube eingestellt, in dem er die Methodik und die wichtigsten Befunde der Analyse erklärt.
N Engl J Med 2016; 375:1438-1447