Ende September erschien im BMJ ein besorgniserregender Artikel. Darin geht Peter Doshi den Nebenwirkungen des Impfstoffs gegen die Schweinegrippe nach, der in der damals vermuteten Grippe-Pandemie 2009/2010 zum Einsatz kam. Die geneigten Leser*innen werden sich erinnern, dass die Grippefälle dann doch nicht so dramatisch waren und die WHO (zurecht) massiv kritisiert wurde.
Aber auch der Impfstoff Pandemrix kam in die Diskussion, weil er einen umstrittenen Wirkverstärker enthielt. Ein Jahr nach der Schweinegrippe wurde der Verdacht laut, dass der Impfstoff möglicherweise das Risiko für eine Narkolepsie erhöht – entsprechende (wenn auch seltene) Fälle traten in mehreren Ländern mit entsprechenden Impfprogrammen auf. Ob tatsächlich ein kausaler Zusammenhang besteht, wird aber bis heute kontrovers diskutiert. Deshalb sind auch mehrere Gerichtsverfahren anhängig, bei denen Betroffene versuchen, Schadensersatzansprüche durchzusetzen.
Wie der BMJ-Artikel berichtet, kamen bei einem dieser Verfahren jetzt Daten ans Licht, die den Verdacht wecken, dass Hersteller und Zulassungsbehörden schon vorher von den möglichen Nebenwirkungen wussten. Als Sachverständiger wurde in den Gerichtsverfahren Tom Jefferson herangezogen, der an mehreren Cochrane Reviews zur Grippeimpfung sowie zu Neuraminidase-Hemmern beteiligt war. Unklar ist außerdem, warum für Pandemrix höhere Nebenwirkungsraten (bezogen auf die verimpften Dosen) gemeldet wurden als für einen Impfstoff des gleichen Herstellers mit nahezu identischer Zusammensetzung, der jedoch an anderen Orten gefertigt wurde. Und warum offenbar weder Hersteller noch Zulassungsbehörden dieser Diskrepanz mit Nachdruck nachgingen.
Bis heute hat dieser Artikel 23 rapid responses erhalten, darunter auch vom Hersteller des Impfstoffs sowie der europäischen als auch der britischen Zulassungsbehörden. Sie betonen, dass die Risikosignale damals bewertet und veröffentlicht wurden, aber kein Zusammenhang zu sehen war. Die Entgegnungen von Peter Doshi und auch Tom Jefferson werfen aber dennoch einige Zweifel auf, ob mit der Pharmakovigilanz in Sachen Pandemrix tatsächlich alles in Butter war.
Pandemrix ist inzwischen Geschichte. Ein Zitat aus der Antwort von Tom Jefferson weist aber auf das Problem hin, das bestehen bleibt:
Openness and clarity are the enemies of vaccine hesitancy. Non response and obfuscation are gifts to those who are ideologically opposed to vaccines and their use.
In einer Zeit, in der in Deutschland wieder Säuglinge an Masern sterben, ist Transparenz in Sachen Nutzen und Risiken von Impfungen ein Muss. Da haben viele Behörden noch einen ganzen Berg Hausaufgaben zu machen. Wer dazu Beispiele sucht, braucht sich nur bei den beginnenden Werbe-Kampagnen für die Impfung gegen saisonale Impfung umsehen.