In den letzten Monaten sind immer häufiger Forderungen zu hören, dass man die Hürden bei der Zulassung doch nicht so hoch hängen sollte. So plädiert etwa auch der neue FDA Commissioner Scott Gottlieb dafür, die Zulassungsstudien zu straffen und etwa Phase 2- und Phase 3-Studien zusammenzulegen. Wenn es tatsächlich immer Arzneimittel mit hohem Nutzen und kalkulierbaren Risiken sind, würden natürlich Patienten von einer schnelleren Zulassung profitieren (aber auch die Pharmafirmen, die mit ihren Produkten schneller auf den Markt kommen können). Wenn…
Wie bereits in der Debatte um „adaptive licensing“ weisen natürlich auch in der aktuellen Diskussion Kritiker darauf hin, dass unsere Erkenntnisse über die neuen Medikamente rapide sinken, wenn wir uns beispielsweise für die Zulassung mit Ergebnissen aus Phase II-Studien zufriedengeben. Das betrifft sowohl den Nutzen als auch die Sicherheit der Arzneimittel.
In den vergangenen Wochen ist nun einiges an Evidenz dazu gekommen, dass großzügigere Zulassungsregeln tatsächlich problematisch sein können.
So ist etwa Anfang Mai ein systematischer Review im BMJ erschienen. Der Beitrag beschäftigt sich mit Wirkstoffen, die zwischen 2005 und 2012 von der FDA auf der Basis von sehr eingeschränkter Evidenz zugelassen wurden. So lagen zum Zeitpunkt der Zulassung entweder (1) nur einen einzige Hauptstudie vor oder (2) nur Ergebnisse zu Surrogatparametern oder (3) beides. Die Review-Autoren suchten nun gezielt nach Studien, die nach der Zulassung zu diesen Wirkstofffen durchgeführt wurden, und bewerteten, inwiefern diese Studien die Erkenntnisse tatsächlich auf eine belastbare Ebene heben. Das ernüchternde Ergebnis: Bei weniger als einem Drittel der Indikationen, die nach (1) beziehungsweise bei weniger als einem Zehntel nach (2) zugelassen wurden, zeigte zumindest eine nachfolgende Studie einen höheren Nutzen im Hinblick auf patientenrelevante Endpunkte. Dabei gab es eine enorme Variabilität bei der Anzahl und Qualität der Studien: So fehlten etwa fünf Jahre nach der Zulassung bei etwa einem Drittel der Indikationen kontrollierte Studien.
Ein begleitendes Editorial beleuchtet die Situation der „conditional approvals“ bei der EMA und das grundsätzliche Problem:
After licensing, there can be opposition to starting new trials, or even
finishing ongoing trials, from patients, clinical investigators, and
even ethics committees. If a drug is licensed, particularly if its
conditional approval is understood as breakthrough rather than
incomplete,
equipoise may be questioned and randomisation may seem inappropriate.
But the weaker and biased study designs that can be used as alternatives
to randomisation are unlikely to fill the evidence gaps that were
evident at the time of approval.
Kurz gesagt: Ist das Arzneimittel erst einmal zugelassen, sinkt die Wahrscheinlichkeit auf aussagekräftige Folgestudien rapide.
Ähnliche Bedenken wie bei Erkenntnissen zur Wirksamkeit gibt es auch bei der Sicherheit: Zu diesem Schluss muss man auf der Basis einer Auswertung in JAMA kommen, für die die Autoren neue Wirkstoffe bis Februar 2017 verfolgt haben, die zwischen 2001 und 2010 von der FDA zugelassen wurden. Bei rund einem Drittel der neuen Arzneistoffe wurden im untersuchten Zeitraum größere Sicherheitswarnungen ausgesprochen, die von der Rücknahme der Zulassung bis zu Ergänzungen auf dem Beipackzettel oder gesonderten Sicherheitsmitteilungen reichten. Im Median kam es nach rund vier Jahren nach der Zulassung zu einem solchen Ereignis. Besonders bedenklich: Bei Präparaten mit beschleunigter Zulassung war die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie bei regulär zugelassenen Wirkstoffen.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Erkenntnisse aus solchen Studien auch endlich mal in politische Entscheidungen wie die Zulassungsvoraussetzungen eingehen. Naiv, ich weiß…
BMJ 2017;357:j1680
BMJ 2017;357:j2062
JAMA. 2017;317(18):1854-1863