Dass „Vorsorge“ auch Nebenwirkungen hat, spricht sich so langsam herum. Aber noch immer ist es nicht in allen Köpfen und leider auch nicht in allen Arztpraxen angekommen. Umso besser, dass die Problematik jetzt auch nochmal in einem dünnen Taschenbuch zusammengefasst ist. In „Unsinn Vorsorgemedizin“ knöpft sich die Ärztin und Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser verschiedene Maßnahmen zur Krebsfrüherkennung, Gesundheitschecks und diverse Versprechungen zum „länger jung und schön sein“ vor und beleuchtet die Nachteile und Nebenwirkungen, die so häufig verschwiegen werden.
Mit dem Thema beschäftigt sich Ingrid Mühlhauser schon seit längerem und es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie sich über die Zustände immer noch empören kann und nicht einfach müde abwinkt. Dabei geht es ihr aber nicht um ein einseitiges „Vorsorge-Bashing“, sondern sie will für das Thema sensibilisieren. Dieser Plan geht auch auf.
Lesenswert ist ebenfalls das Vorwort, das eine Art Gebrauchsanweisung darstellt. Darin stellt die Autorin nämlich klar, dass das Buch kein Ratgeber und keine Entscheidungshilfe sein kann und will. Sie hat einen kritischen Blick auf sich selbst, die Vorläufigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse und warnt deshalb die Leser: „Eine kritische Haltung gegenüber der Kritik der Autorin ist daher durchaus angebracht.“ Ein sympathischer Zug.
Das Buch eignet sich für alle, die einen Blick hinter die Kulissen des Medizinbetriebs werfen wollen und Anregungen suchen, um sich mit angebotenen Maßnahmen kritisch auseinander zu setzen. Hinweise zu weiterführender Literatur, die sich direkt an Patientinnen und Patienten richtet, bietet das letzte kurze Kapitel „Die informierte Entscheidung“. Und auf der Website der Autorin an der Uni Hamburg finden sich vorbildlich die verwendeten Quellen.
Ingrid Mühlhauser: Unsinn Vorsorgemedizin. rowohlt 2017, 9,99 EUR
Transparenzhinweis: Ich kenne die Autorin persönlich aus der gemeinsamen Arbeit im Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. und sie hat mir das Buch geschenkt. Ich habe versucht, mich davon nicht beeinflussen zu lassen 😉