Im letzten Teil der Serie zu GRADE habe ich vorgestellt, dass das Risiko für Bias einen Grund darstellen kann, die Qualität der Evidenz herabzustufen. Ein weiterer Grund dafür kann sein, wenn ein hohes Risiko für einen Publikationsbias besteht.
Der klassische Fall eines Publikationsbias tritt auf, wenn eine oder mehrere Studien negativ ausfallen und der Sponsor daraufhin beschließt, die Studien nicht zu veröffentlichen. Aber auch Varianten sind denkbar: Etwa dass eine Veröffentlichung schon intendiert ist, Zeitschriften aber nicht an negativen Ergebnissen interessiert sind. Oder dass solche negativen Ergebnisse in kleinen Journals veröffentlicht werden, die nicht in Englisch publizieren und nicht in den gängigen Datenbanken (etwa Medline) indiziert sind.
Alle diese Faktoren bergen das Risiko, dass besonders negative Ergebnisse nicht adäquat in systematischen Übersichtsarbeiten oder Leitlinien abgebildet werden. Jedoch ist auch der umgekehrte Fall denkbar, dass besonders positive Ergebnisse doppelt publiziert werden, die Publikationen aber nicht als Duplikate identifiziert werden. Auch dann resultiert eine Überschätzung der Wirksamkeit.
Welche Anhaltspunkte können für einen Publikationsbias sprechen? Nach dem GRADE-Ansatz sollten Autoren aufmerksam werden, wenn die Evidenz sich aus vielen kleinen Studien mit geringen Ereignisraten zusammensetzt. Das gilt besonders dann, wenn bei diesen Studien Interessenkonflikte zu vermuten sind (etwa bei Hersteller-Sponsoring). Inwieweit Funnel Plots dabei helfen können, einen Verdacht auf Publikationsbias zu begründen, ist unter Experten umstritten. Neben Funnel Plots gibt es auch noch einige andere Tests, die derzeit diskutiert werden. Gewissheit, dass tatsächlich ein Publikationsbias vorliegt, gibt es jedoch nur, wenn die Daten aus unveröffentlichten Studien verfügbar sind und diese deutlich von der publizierten Evidenz abweichen.
Weil es so schwierig ist, einen Publikationsbias mit Sicherheit auszuschließen oder gar zu belegen, rät der GRADE-Ansatz dazu, auf dieser Basis die Qualität um höchstens einen Schritt herabzustufen.
Mehr Details zu dieser Problematik finden sich im Originalartikel im JCE.