Wenn wissenschaftliche Studien wegen Problemen zurückgezogen („retracted“) werden, ist das nicht immer gut zu erkennen. Das beklagt ein Team aus Wissenschaftler*innen aus Frankreich, Australien und Kanada in einer Analyse im British Medical Journal (BMJ).

Warum Studien zurückgezogen werden, kann sehr unterschiedliche Gründe haben: Manchmal sind es Fehler, die erst nach der Publikation auffallen, manchmal aber auch Hinweise auf Ungereimtheiten oder gar gefälschte Daten. In einer Analyse von Retractions aus den Jahren 1971 bis 2020 war wissenschaftliches Fehlverhalten der häufigste Grund, gefolgt von Fehlern im Manuskript oder anderen Problemen wie unabsichtliche Doppel-Publikation in zwei Journals. Retractions betreffen nach Schätzungen von Fachleuten etwa 5 von 10.000 Publikationen.

Wenn Studien zurückgezogen werden, gibt es auf der Website des betreffenden Journals in der Regel einen auffälligen Hinweis und genauso in PubMed, der wichtigsten Such-Oberfläche für medizinische Publikation. Zotero und Endnote, Programme zur Literaturverwaltung beim wissenschaftlichen Schreiben, haben seit einiger Zeit die Funktionalität, dass zurückgezogene Studien, die die Nutzer*innen gespeichert haben, automatisch gekennzeichnet werden. Dazu sind die Programme mit der Datenbank RetractionWatch gekoppelt.

Das scheint aber nicht zu reichen. Darauf deuten Analysen hin, wie häufig zurückgezogene Studien in nachfolgenden Publikationen zitiert werden. Unklar ist, ob den zitierenden Wissenschaftlern nicht klar war, dass die Studien zurückgezogen waren oder sie das ignorierten. Wie können Retractions übersehen werden? Die Autor*innen der BMJ-Analyse machen dafür mehrere Ursachen aus:

  • So können Kopien der Publikationen auf anderen Seiten als denen der Journals hinterlegt und dort nicht korrekt als zurückgezogen gekennzeichnet sein: Dazu gehören etwa Preprint-Server, soziale Netzwerke für das akademische Umfeld, illegale Websites wie Sci-Hub oder andere Repositorien.
  • In anderen Datenbanken oder Suchfunktionen wie Web of Science, Scopus oder Google Scholar kann die Kennzeichnung fehlen, die in PubMed vorhanden ist, oder erst wesentlich später ausgespielt werden.
  • Manchmal werden aber auch zurückgezogene Artikel auf der Seite des Journals nicht klar gekennzeichnet.

Wie kann sich die Situation verbessern? Dafür schlagen die Autor*innen der BMJ-Analyse eine Reihe von Maßnahmen vor: So sollten Retractions in Journals klar gekennzeichnet sein. Wenn Autor*innen Manuskripte zur Publikation einreichen, sollten die Herausgeber darauf hinweisen, dass die Liste der Referenzen explizit auf Retractions geprüft werden muss, etwa durch Abgleich mit der RetractionWatch-Datenbank. Noch besser wäre eine automatische Software-basierte Prüfung eingereichter Manuskripte. Gleiches gilt auch für Repositorien.

Boudry C et al. Poor visibility of retracted articles: a problem that should no longer be ignored. BMJ 2023;381:e072929. https://doi.org/10.1136/bmj-2022-072929

Zurückgezogene Studien schlecht identifizierbar
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